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Übersetzung von Oliver Mellenthin, der ich danke
12. März 2057
Heute habe ich meine Urgroßmutter besucht. Es gab ein großes Fest, da ihre beste Freundin hundert Jahre alt wurde. Sie und Uroma leben auf dem Land an einem wunderschönen, ich würde sogar sagen magischen Ort, zusammen mit einigen anderen hundertjährigen Menschen wie sie selbst und auch einigen Familien, die in den letzten dreißig Jahren allmählich dazu gekommen sind.
Wie immer bei solch festlichen Anlässen kommt man auf die Geschichten vergangener Zeiten. Meine Urgroßmutter erzählt, dass einstmals, als meine Mutter noch nicht geboren war, eine Zeitlang ein sehr starkes Virus wütete. Es wurde Corona-Virus genannt. Es hatte in Wirklichkeit nicht viele Todesfälle verursacht (viel mehr Menschen starben zu dieser Zeit durch Kriege und andere Krankheiten), aber es war stark ansteckend und nicht leicht auszurotten, so dass Regierungen auf der ganzen Welt Vorsichtsmaßnahmen ergreifen mussten, um die Ausbreitung der Epidemie zu verhindern.
Meine Uroma sagt, dass sie viele Tage zuhause bleiben mussten, dass fast alle Geschäfte geschlossen waren, aber dass zum Glück die Grundbedürfnisse, also die Versorgung mit Lebensmitteln und “Medikamenten”, gesichert waren. Oh ja, zu dieser Zeit gab es „Medikamente“, eine Art kleine Tabletten, fast immer weiß und bitter, die die Leute ununterbrochen für jede kleine Krankheit einnahmen. Es scheint, dass die Menschen damals immer in Eile lebten und viele Dinge zu tun hatten, und dass diese Lebensweise ihre Fähigkeit, tief durchzuatmen und glücklich zu sein, langsam eingeschränkt hatte. Dies galt insbesondere für diejenigen, die an Orten lebten, die als „Städte“ oder „Metropolen“ bezeichnet wurden und voller Maschinen, Fabriken und fast überall zugebaut waren, so dass es fast keine Bäume gab und die Luft schmutzig und zum Atmen unerträglich war. Und so wurden Menschen oft krank und nahmen Medikamente, um sich schnell besser zu fühlen. Sie hatten vergessen, dass Stille, Kunst, Fasten, Kräuter und vor allem Ruhe die besten Heilmittel sind. Ich habe nicht verstanden warum, aber es scheint, dass sie nicht davon abzubringen waren und dass sie diese Tabletten immer weiter nahmen, um auf jeden Fall weiter zu arbeiten.
Als das Coronavirus auftauchte, mussten sie jedoch damit aufhören. ALLE. Ganz plötzlich. Fast über Nacht. Sie mussten zu Hause bleiben, ohne sich umarmen, küssen oder lieben zu können. Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn sie wegen unabdingbarer Gründe wie des Einkaufens ihrer Lebensmittel auf die Straße gingen, auch immer nur eine Person pro Familie, mussten sie einen Sicherheitsabstand einhalten und durften sich mit anderen nur von weitem begrüßen.
Es wird berichtet, dass es zu dieser Zeit eine archaische Form der Kommunikation gab, die sie “soziale Medien” nannten. Das waren virtuelle Orte, an denen Ideen, Fotos, Talente und Projekte ausgetauscht werden konnten. Uroma sagt, dass diese “sozialen Medien” damals eine große Hilfe waren. Jeder stellte dadurch seine Fähigkeiten und Talente anderen zur Verfügung. Es gab diejenigen, die Yoga-Kurse anboten, diejenigen, die sich in einem virtuellen Raum trafen, um zusammen zu tanzen, diejenigen, die Geschichten für Kinder vorlasen, die ja auch zu Hause waren (sogar die Schulen waren zu dieser Zeit geschlossen) und diejenigen, die lehrten, wie man hausgemachtes Brot backt. Damals gab es nämlich alles fertig zu kaufen, weil es keine Zeit für solche Dinge wie Kochen gab (ich versuche immer noch zu verstehen, was sie so wichtiges tun hatten, dass sie ihr eigenes Essen nicht selbst zubereiten konnten). In diesen “sozialen Medien” begannen Künstler kostenlose Konzerte von zu Hause aus zu geben, jemand gab auch Gitarrenunterricht oder für andere Instrumente. Es war ein Wettbewerb an Solidarität geworden. Uroma werden die Augen feucht, wenn sie von der Brüderlichkeit, Gleichheit und Schönheit dieses Austauschs erzählt.
Doch Uroma und ihre hundertjährigen Freunde bewegt vor allem, dass dieser plötzliche Stopp alle dazu zwang, nach innen zu schauen, in Harmonie mit ihrem Wesen, Mutter Erde, den Zyklen des Lebens, dem Universum und einer umfassenden und spirituellen Vision von Existenz. Diese Harmonie, Einfachheit und Langsamkeit, von ihnen und zahlreichen anderen seit langem erhofft, beschworen und zu Leben versucht, wurde endlich Realität.
Die Menschen besannen sich langsam wieder, auf das Schlagen ihres Herzens zu hören und tief ein- und auszuatmen, um sich nicht nur von ihrem beschränkten Verstand leiten zu lassen, sondern Herz und Verstand wieder in Einklang zu bringen und so ihr unerschöpfliches menschliches Potenzial wieder zu erwecken. Wie mit magischer Kraft begannen sich die Kräfte des Herzens und Verstandes jedes Einzelnen zu vereinigen und gemeinsam eine universelle tiefgreifende Veränderung des Lebens auf dem Planeten Erde anzustoßen.
Jedem wurde plötzlich klar, dass er ein einzigartiger und wertvoller Teil eines Ganzen war, jeder entdeckte so den erhabenen Sinn des Lebens wieder, erkannte die Schönheit und Fülle der Natur und jedes Lebewesens. Dankbarkeit, Fürsorge, Liebe, Harmonie, Freude, Mitgefühl, Freundlichkeit, Geduld erfüllten jeden Gedanken, jede Handlung, jedes neue Schaffen und jedes der Elemente, Luft, Wasser, Erde und Feuer.
Zu diesem Zeitpunkt begannen die ersten Versuche der sogenannten Telepathie.
Oh ja. Es mag seltsam erscheinen, aber im Jahr 2020 wusste fast niemand etwas über Telepathie. Menschen sprachen oder schrieben in den beliebten sozialen Netzwerken. Sie sagten nicht immer, was ihnen wirklich auf dem Herzen lag. Sie sprachen nur untereinander, sie konnten aber nicht mit Tieren (außer vielleicht ihren Haustieren) und am allerwenigsten mit Pflanzen kommunizieren. Sie hielten sich für die Herren der Schöpfung, aber ihre Fähigkeiten, miteinander in Kontakt zu treten, geschweige denn mit den anderen Lebewesen auf ihrem Planeten, waren sehr beschränkt. Ich weiß nicht, wie das möglich war!
Uroma und ihre Freunde sagen, dass es hart war. Die Veränderung kam sehr plötzlich und war radikal. Sie berichten, dass jeder, als Individuum und als Gemeinschaft, sich geopfert hat, und so jede einzelne Geste geheiligt wurde, die inneren Ressourcen bis zur Neige ausgeschöpft und genutzt, und sie so Glauben und Vertrauen in sich selbst, in ihr eigenes göttliches Licht und ins Universum wiederfanden. Ein Gefühl tiefer Verbundenheit breitete sich auf der Erde aus. Und seit damals ist das Leben wie ein neuer authentischer, heiliger und ewiger Fluss weitergegangen.
Wie sehr ich diese Geschichte mag! Am Ende der Erzählung nahm ich Uroma, ihre Freundin und die anderen Hundertjährigen des Dorfes fest in den Arm. Ich dankte ihnen von ganzem Herzen für ihren Mut und ihre Stärke, dass sie die Menschheit aus dem tiefsten und dunkelsten Tal ihrer Geschichte herausführen konnten.
Schließlich begann meine Urgroßmutter zu tanzen. Sie sagte, es habe zu seiner Zeit eine großartige Tänzerin gegeben (ich glaube ihr Name war Pina Bausch), die sagte: “Lasst uns tanzen, lasst uns tanzen, sonst sind wir verloren!” und dass dies in schweren wie in leichten Zeiten gelte.
Wir tanzen immer noch. Möchtest du dich uns anschließen?
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HINWEIS Sie können die Fortsetzung dieses Märchens lesen, auf Italienisch für den Moment, hier:
IL CORONA VIRUS RACCONTATO DAI NOSTRI BISNIPOTI – Fine della quarantena
IL CORONA VIRUS RACCONTATO DAI NOSTRI BISNIPOTI – Affacciamoci compagnia
IL CORONA VIRUS RACCONTATO DAI NOSTRI BISNIPOTI – Stare con quel che con quel che c’è per il tempo che ci vuole
IL CORONA VIRUS RACCONTATO DAI NOSTRI BISNIPOTI – Cuore e Cervello insieme